Tag 5: Rückblick
Gut, ich habe mir Beautiful Day von U2 aufgelegt und bin bereit wieder ausführlicher zu berichten. Den ersten Termin heute haben K. und ich auf 12 Uhr gelegt. Gestern ging es ja schon unbarmherzig früh um 9:30 h los. Ich traf M. K.s Gastbruder in der Innenstadt bei der Moschee. Es gibt in Plovdiv mindestens zwei davon. Aber eine ist wirklich an der Fussgängerzone, neben römischen Ausgrabungen. Das sind also Antike, Mittelalter und Moderne an einem Platz vereint. Die Mosche wird seit Jahren renoviert und leuchtet einem in rot schon von weiterem entgegen. Ich habe noch ein paar Fotos gemacht bis die beiden eingetroffen sind. K. hat mit dann allein mit M. Richtung Messe losziehen lassen. Unser Ziel war die AGRA-Messe. Die findet auf dem Geländes des Plovdiver Messezentrums statt. Auf dem Weg dorthin haben wir eine bischen Smalltalk gemacht und schließlich den M.s Opa an der Bushaltestelle vor dem Messegelände abgeholt.
Auf der Messe hatte ich viel Spaß. Kommunikation ist ja nicht nur Wort verstehen. In meinem Fall ist es hier meistens alles, außer Worte verstehen. Aber kaum standen wir vor dem ersten großen Mähdrescher und einem Traktor aus westlicher Produktion fing der Opa seinen Monolog an. Ich habe nur Imperialiski und Kapitalisti erstanden. Was das bulgarische Äquivalent zu "Horch mal" ist weiß ich nicht. Aber M.s Gesicht nach zu Urteilen hat ihm der Opa beim Rundgang mal eben die Welt erklärt. Vielleicht gar nicht so dumm wenn man nicht alles verstehen muss :-)

Interessanter weiße konnte man auf dieser Bauernmesse auf Pflanzen kaufen und eine ganze Menge der Leute wollten das auch tun und taten das auch. Natürlich auch der Opa. Er hat also jeden mit einem Baum in der Hand, angequatscht wo es denn diese Bäume zu kaufen gebe. Als wir dort waren hat es nur eine halbe Stunde gedauert einen solche erwerben, weil da wirklich der beliebteste Stand war. Als wir dann endlich unseren Baum hatten, wurden wir auch ständig gefragt wo es diese Teile gäbe. Gut auf jeden Fall haben wir das Gelände dann auch zügig verlassen, da der Opa nicht mehr so fit ist.

Ich habe dann wieder mit K. zu Mittag bei Diane gegessen. Es war wie jeden Tag sehr gut. Ein Bohnesalat zum Start, frittierte Silberzwiebeln und Fleisch. Wenns nur ums Essen gehen würde könnte ich noch Jahre bleiben.

Mittags habe ich dann erstmal gepennt um mich von der stressigen Nacht zu erholen. Als ich aufgewacht bin habe ich mich immernoch wie überfahren gefühlt. Aber half ja alles nix. Schließlich bin ich gekommen um die YMCA Arbeit anzuschauen. Und gerade am Mittwoch war ein wichtiger Termin die Waisenhausarbeit. Also los und mit K. auf den Markt um noch ein paar Orangen für die Kids zu kaufen.
Im Heim angekommen wurde K. schon freudig begrüßt. Auch mit mir versuchten sie sofort Kontakt aufzunehmen. Aber ausser lächeln konnte ich nicht viel. Bis eine vielleicht 9 jähriger mit "My name ist Anton" anfing. Und ich entsprechend antworten konnte. Darauf hin brachte er diese Phrase auch den kleineren bei und sie hatten einen großen Spass daran sich ihre Namen von mir vorsagen zu lassen. Das eigentlich Tagesprogramm war aber das erlernen eine Bulgarischen Volkstanzes. Das hätte ich fast zerstört als ich kurz meinen Foto rausgeholt habe. Klar war da die neue Attraktion. Manchmal so eine fette D-Spiegelreflex einfach das falsche Gerät. Ich habs auch gleich sein lassen und einfach nur zugeschaut.

Es war erstaunlich wie K. Freundin mit einer Ruhe und Geduld den kleinen Anarchisten den Tanz beigebracht hat. Ihre Ruhe hat sich total auf die Kids übertragen und am Schluss haben alle Hand in Hand im Kreis getanzt. Besonders hat mit Penka gefallen. Vielleicht sieben Jahre alt. Sie hatte so einen überheblichen Gesichtsausdruck und hat beinahe abfällig eine Runde vorgetanzt. Dabei war sie perfekt und leichtfüssig. Ihr ganzes Leben wird sie wohl mit dem Stigma Zigeuner - und Heimkind zu sein kämpfen müssen. Aber für eine Minute war sie die Königin im Saal.

Nach dem Heim, sind wir schnell zur Bushaltestelle gegangen um den Bus ins Zigeunerviertel zu bekommen. Diese Viertel besteht wie alles in Plodiv aus Plattenhochhäusern. Nur mit dem Zusatz das es nur um das Viertel herum eine befestigte Strasse gibt. Zwischendrin ist nur Dreck und jede Menge illegale 1- bis 2-stöckige Häuser. Dadurch wird das ganze so verwinkelt wie man es von eine Favela oder einen Township aus dem Fernsehen kennt.
Neben Wellblechhütten gibt es immer auch Häuser die mit Mamor ausgestattet sind. Hier wohnen dann die Mafiosis drin.
Wir sind also Abends angekommen und liefen direkt in eine schmale Strasse zwischen zwei Häusern rein. Natürlich sind hier jede Menge Leute auf den Strasse, da viele auch keine Arbeit haben. K. lotste uns durch dieses Labyrint. Ein bischen wurden wir schon angeklotzt, da hier wirklich ausschließlich Zigeuner wohnen. Bulgaren anderer Ethnien denken und reden großteils schlecht über dieses und wohnen höchstens am Rand der Siedlung.

Die Kirche selber ist dann ein Art Garage in der gut 200 Leute Platz gefunden haben. Ein Teil musst hinten sogar stehen. Also wir keine kamen hat ein Platzanweiser an der Tür sofort ein Zeichen an einen Ordner in der ersten Reihe gegeben. Zwei Leute standen sofort auf und wir mussten ihre Plätze einnehmen. Ein peinliche Nummer, aber wir konnten nichts machen.
Der Gottesdienst war sehr gut. Ich habe von der Predigt rein gar nichts verstanden. K. hats mir später eine Zusammenfassung gegen. Auch die Lieder habe ich nicht verstanden. Mittlerweile kann ich aber ausreichend Buchstaben lesen das ich die meisten Wörter schnell genug erfassen und auch mitsingen kann. Zum ersten Mal habe ich mich ein bischen zu Hause gefühlt in dieser Woche. Es ist einfach gut im Gottesdienst zu sein und Worship zu machen. Die Band war extrem gut und hatte hochwertige Instrumente und Musiker am Start.
Mir ist klar geworden das Gott wirklich alles sieht und in der Hand hat. Und das hat mich sehr entlastet. Während der ganzen Woche haben mich die Gedanken, was machen machen muss um hier endlich den YMCA zu pushen belastet. Aber jetzt ist klar dass ich gar nichts machen muss. Gott ist der Macher und wenn ich werde Ihn fragen wo ich Helfer sein darf. Also alles in allem wars wirklich ein erbauliche Zeit im Gottesdienst. Am Ende haben mir dann viele Leute die Hand geschüttelt. Viel hätten auch gerne mit mir geredet, aber hier kann noch nichtmal jeder Bulgarisch. K. geht hier dagegen voll auf. Sie war ständig von Kindern und Erwachsenen umringt. Sie spricht nach einem halben Jahr fließen bulgarische, und es sieht so aus als hätte sie nie was anderes gemacht. Sehr beeindruckend.
Also ein Frau erfahren hat das wir mit dem Bus hier sind und auch mit diesem heimfahren wollen, wurde sofort das Gemeindeauto klar gemacht. Wir wurden dann von einem Pulk Leute nach draussen begleitet und in Auto gesetzt. Dann gings über Schlaglöcher im Schritttempo durch die Häuserschlucht und dann ab in die Stadt.
Da ganz haben wir dann bei einem Bier im Butterfly setzten lassen. Dort wurde uns wieder eine Musterbeispiel sozialistischer Arbeitseinstellung vorgeführt, für die das Cafe so berühmt ist. Gleich bei betreten wurde uns klar gemacht das um 22h Schluss sein wird. Die Getränke bekamen wir trotzdem, sogar fast mit einem kleinen Lächeln.
Achja und zum erstemal haben wir eine Lied gehört das auch bei uns in den Charts ist und nicht aus den 80igern komment. Der KeinOhrHasen-Song.